Serienkiller aus England

 

1. Fall
Der Fall Dennis Nilsen

 Dennis Nilsen

    Am Abend des 8. Februar 1983 wurde der Klempner Michael Cattan von einem Mieter des Hauses Cranley Gardens in Muswill Hill im Norden Londons angerufen und gebeten, einmal nachzusehen, warum der Abfluß sämtlicher Toiletten seit mehreren Tagen verstopft war.
Als er den Kanalschacht des Drainage-Systems öffnete, entdeckte er Unmengen verfaulendes Fleisch. Da sich auch Fingerknochen darunter befanden, hatte er keinen Zweifel, daß es sich um menschliche Leichenteile handelte und informierte die Polizei. Sämtliche Bewohner des Hauses wurden zu dem Fund befragt, unter ihnen der siebenundzwanzigjährige Staatsbeamte Dennis Nilsen. Er ließ die Polizei bereitwillig in seine Wohnung eintreten, aus der ihnen ein bestialischer Gestank entgegenschlug.
    Nach der Ursache befragt, erklärte Nilsen ohne sichtbare Emotion, es handele sich um das verwesende Fleisch zweier Männer, die er kürzlich ermordet habe, und deutete auf zwei Plastiktüten in einer Zimmerecke. In den Tüten fanden die Beamten zwei abgetrennte Köpfe sowie einen Schädelknochen, von dem das Fleisch abgezogen worden war, und im Bad stießen sie auf die unversehrte untere Hälfte eines männlichen Torsos. Der dazugehörige Rest lagerte in zerhackten Brocken in zwei weiteren Plastiktüten und einem Papierkorb. Dennis Nilsen wurde verhaftet. Im Polizeiwagen erklärte er auf eine entsprechende Frage von Chief Inspektor Peter Jay von Hornsey CID, er habe insgesamt fünfzehn oder sechzehn Männer getötet. Und auf der Polizeiwache präzisierte er diese Angaben ohne jede Umschweife und berichtete in stoischer Ruhe von drei Männern, die er in seiner aktuellen Wohnung, und zwölf oder dreizehn  weiteren Männern, die er in einem früheren von ihm bewohnten Apartment, 195 Melrose Avenue in Cricklewood, getötet habe.
    Die meisten von ihnen seien, wie er selbst homosexuell gewesen. Es sei eine Erlösung für ihn, sich die Sache von der Seele zu reden. Bei der Durchsuchung der Wohnung und des Gartens in der Melrose Avenue stieß die Polizei auf zahlreiche Menschenknochen sowie ein Scheckbuch und einige Kleidungsstücke, während Nilsen mehrere Tage verhört wurde und mit erstaunlicher Erinnerung an kleinste Details von seinen Mordtaten berichtete. Sein erstes Opfer, ein jungen, nie identifizierten irischen Arbeiter, hatte er im Dezember 1978 in einer Taverne in der Nähe der Melrose Avenue kennengelernt. Man hatte reichlich getrunken und war anschließend in Nilsens Wohnung gegangen um den Umtrunk dort fortzusetzen. Auf Nilsens Angebot, die Nacht bei ihm zu verbringen, ging der junge Mann nicht ein, schlief aber dann doch, betrunken wie er inzwischen war, im Sessel ein. Nilsen erklärte während seiner Vernehmung, er habe sich nach Gesellschaft gesehnt und gefürchtet, sein Gast würde ihn verlassen, sobald er wieder aufgewacht wäre. So griff er zu Krawatte und erdrosselte ihn. Anschließend entkleidete und wusch er die Leiche, ein Ritual, das er von nun an nach jedem seiner Morde vollziehen sollte. Bis in den August hinein versteckte er den Leichnam unter den Dielenbrettern seiner Wohnung, bis er ihn schließlich in den Garten schleifte und in einem offenen Feuer verbrannte. Den Geruch überdeckte er, indem er einen alten Autoreifen mit ins Feuer warf.
    Im November 1979 sprach Nilsen in einem Pub in Salisbury einen homosexuellen Chinesen an und nahm ihn mit in seine Wohnung. Der junge Mann hatte einen Faible für abartige Sexspiele und ließ sich bereitwillig auf Nilsens Bett fesseln. Nilsen versuchte, ihn zu erwürgen, aber sein Opfer konnte sich losreißen, floh aus dem Haus und erstattete Anzeige. Die Polizei aber glaubte Nilsens Version, nach der der Chinese ihn habe ausrauben wollen und setzte ihn auf freien Fuß.
    Um den 3. Dezember herum lernte Nilsen im Princess Louise in High Holborn einen dreiundzwanzigjährigen Kanadier namens Kenneth James Ockendon kennen. Sie gingen in Nilsens Wohnung, aßen Eier mit Schinken und tranken reichlich Alkohol. Anschließend hockte sich Ockendon vor den Fernseher, wobei er gleichzeitig Kopfhörer trug und Rockmusik aus Nilsens Hifi - Anlage hörte. Dies dürfte der Grund gewesen sein, warum er sein Leben lassen mußte. Nilsen wollte Gesellschaft, unterhielt sich gerne und fühlte sich von seinem Gast zurückgewiesen. Als Ockendon ihm bis kurz nach Mitternacht noch immer keine Beachtung geschenkt hatte, griff er nach einem Kabel und erdrosselte ihn kurzerhand. Nilsen war selbst viel zu betrunken, um sich um die Leiche zu kümmern, und setzte sich statt dessen nun selber die Kopfhörer auf und hörte stundenlang Musik. Am nächsten Tag versuchte er, sein Opfer unter der Diele zu verstecken, was ihm nicht gelang, da mittlerweile die Totenstarre eingesetzt hatte. Also zerstückelte er die Leiche und vergrub sie im Garten.
    Alle seine Morde verliefen nach ganz ähnlichem Muster, wobei Nilsen die Leichenteile teilweise sogar kochte, um sie besser verschwinden lassen zu können, und nur seine Festnahme dürfte verhindert haben, daß ihm weitere ahnungslose junge Männer zum Opfer fielen. Am 24. Oktober 1983 wurde die Gerichtsverhandlung im Central Criminal Court eröffnet, und obwohl er insgesamt fünfzehn Morde und weiter fünf Mordversuche gestanden hatte, wurde Dennis Nilsen nur für sechs Morde und zwei Mordversuche angeklagt. Am 4. November wurde er in allen Anklagepunkten für schuldig gesprochen und zu lebenslange Haft verurteilt.
    Der Mann, der sich selbst mit einem gewissen Stolz als „Englands größter Massenmörder“ bezeichnete, war Schotte und kam am 23. November 1945 in Fraserburgh zur Welt. Seine Mutter Betty, eine geborene Whyte, hatte im Jahr 1942 den norwegischen Soldaten Olav Nilsen geheiratet. Es sollte keine sehr glückliche Ehe werden. Olav war selten zu Hause, trank übermäßig, und so ließ sich Betty nach sieben Jahren wieder scheiden. 1954 heiratete sie zum zweiten Mal und trug von nun an den Namen Betty Scott. Dennis Nilsen aber wuchs im Haus seiner Großelter auf, und sein Großvater, Andrew Whyte, wurde ihm zum Ersatzvater, an dem er mit ganzem Herzen hing. Nilsen war gerade einmal sieben Jahre alt als Andrew verstarb und Dennis von seiner Mutter ins Haus gerufen wurde, um sich von seinem Leichnam zu verabschieden. Ein ganz offensichtlich traumatisches Erlebnis für einen kleinen Jungen, und Nilsen bemerkte in den umfangreichen Aufzeichnungen, die er während seiner Haft anfertigte, „ damals begannen meine Probleme“. Das Ableben des geliebten Großvaters sei ein derartiger Schock für ihn gewesen, daß es seinen eigenen emotionalen Tod bedeutet habe. 1961 ging Nilsen zur Armee, wo er den Beruf des Kochs erlernte. Es war in dieser Zeit, daß er damit begann, regelmäßig zu trinken, und obwohl er sehr einsam war, lehnte er engere Freundschaften ab. 1972 verließ er die Armee und wurde Polizist, gab auch diesen Beruf nach nur neun Monaten wieder auf, arbeitete eine Weile lang für einen Wachschutz  und schließlich als Interviewer für die Manpower Services Comission.
    Seit November 1975 teilte sich Nilsen seine Wohnung in der Melrose Avenue mit dem zehn Jahre jüngeren David Gallichan. Nilsen besteht darauf, daß die beiden nie eine homosexuelle Beziehung gehabt hätten, aber trotzdem hatte der junge Mann eine immense Bedeutung für ihn. Und als Gallichan im Mai 1977 beschloß, London zu verlassen und einen Job auf dem land anzutreten, ließ er einen zu tiefst verbitterten Nilsen zurück, der sich unendlich gedemütigt und verlassen fühlte. Dan unfreiwillige Ende der Beziehung zu David Gallichan dürfte der entscheidende Faktor gewesen sein, der schließlich die mörderische Gewalt freisetzte, die fünfzehn Männern das Leben kosten sollte.
    Ende der 80er Jahre hatte Dennis Nilsen im Gefängnis von Wakefield eine Affäre mit einem 32jährigen Jimmy Butler, der wegen bewaffneten Raubüberfalls einsaß und die Geschichte seiner Liebesbeziehung mit dem Serienmörder später vermarktete.

Quelle: Serienmörder im Europa des 20. Jahrunderts; Jens Haberland; Seite 13 - 21

 

2. Fall
Die Moormörder

 Ian Brady                        Myra Hindley

 

    Das ruhige englische Städtchen Hattersly, von weitläufigen Sumpfgebieten umgeben, war die Heimat eines jungen Paares, das in den 60er Jahren als die Moormörder von England in die Kriminalgeschichte eingehen sollte. Ian Brady, 28, und Myra Hindley, 23, lebten gemeinsam im Haus von Myra Großmutter in der Wardle Brook Avenue Nr. 16. Am späten Abend des 6. Oktober 1965 verließ Myra die Wohnung ihrer Schwester und bat deren Mann, David Smith, sie auf dem Weg nach Haus zu begleiten.
    Dort angekommen, saßen die beiden noch eine Weile in der Küche, tranken ein Glas Wein und unterhielten sich, als urplötzlich ein entsetzlicher Schrei aus nächster Nähe an ihr Ohren drang. „Komm, wir müssen ihm helfen!“ rief Myra und lief ins Wohnzimmer hinüber. Der ahnungslose Schwager folgte ihr, und was er nun zu sehen bekam, wurde später folgendermaßen beschrieben: „Im ersten Moment dachte ich, Ian habe eine Puppe in Lebensgröße vor sich und wedele damit herum. Aber dann dämmerte mir, daß es sich keineswegs um eine Puppe handelte.“ Die vermeintliche Puppe war der siebzehnjährige Edward Evans, den Ian in einem nahegelegenen Pub aufgelesen hatte und nun würgend endgültig zum schweigen brachte, nachdem er ihn zuvor mit insgesamt vierzehn Axtschlägen traktiert hatte. Der mord war als eine Art „Demonstration“ für David gedacht, den Ian und Myra als Komplizen zu gewinnen beabsichtigten. Smith war ein heftiger Trinker, hatte eine lange Liste an Jugendstrafen vorzuweisen und schien dem mörderischen Pärchen gerade der richtige Partner zu sein. Smith stand unter Schock, als er den beiden half, das verspritze Blut von den Wänden zu waschen, während Ian ununterbrochen über sein Opfer lästerte und den Jungen als Waschlappen, Leichtgewicht und hirnloses Schwein bezeichnete. Dann rief die Großmutter die Treppe herunter und erkundigte sich nach der Ursache der Schreie, worauf Myra erwiderte, ihr sei der Kassettenrecorder auf den Fuß gefallen. Die Großmutter zog sich wieder zurück, und Smith half Ian, die Leiche nach oben in ein unbewohntes Zimmer zu tragen.
    Als Smith spät in der Nacht nach Hause kam, stürzte er ins Bad und übergab sich mehrere Stunden lang. Nach dem Grund seiner Übelkeit befragt, erzählte er seiner Frau, was vorgefallen war, und am nächsten Morgen gegen sechs Uhr gingen sie gemeinsam zur Polizei. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung stießen die Beamten auf die verschlossene Tür im oberen Stockwerk. Myra behauptete, sie habe den Schlüssel verlegt, aber die Polizisten brachen die Tür auf und fanden neben der mit Plastik umwickelten Leiche und zwei Revolvern auch mehrere Fotos. Auf einigen war die seit zehn Monaten vermisste zehnjährige Lesley Ann Downey zu sehen. Ein anderes zeigte Myra Hindley, wie sie im Moor über einem grabähnlichen Hügel stand. Die Polizei lokalisierte die Stelle und fand den Leichnam des zwölfjährigen John Kilbride und kurz darauf den der kleinen Lesley. Wie sich herausstellen sollte, wurde das Mädchen unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt, bevor sie schließlich ermordet wurde. Sei war entkleidet, in pornographischen Posen fotografiert und schließlich sexuell missbraucht worden. Ihre Schreie hatte das unglaubliche Paar auf Tonband aufgenommen und später mit weihnachtlicher Musik unterlegt. Die Polizei fand die Aufnahmen, und selbst die Hartgesottensten unter den Kriminalisten sprachen davon, nie zuvor derartige Geräusche menschlicher Qual gehört zu haben. Als die Bänder während der Gerichtsverhandlung in Chester zu Gehör kamen, brachen mehrere Geschworene in Tränen aus, während Myra regungslos zuhörte und keinerlei Emotionen zeigte. Sie bestritt jede Tatbeteiligung und versuchte, Ian die alleinige Schuld zuzuschieben, woraufhin der sie mit wüsten Obszönitäten überschüttete. Am 6. Mai 1966 wurden Ian Brady und Myra Hindley, ohne auch nur eine ihrer furchtbaren Taten gestanden zu haben, schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst viele Jahre später würde Brady einem Journalisten namens Fred Harrison gestehen, daß die beiden auch die sechzehnjährige Pauline Reade und den zwölfjährigen Keith Bennet ermordet hatten. Paulines Leiche wurde 24 Jahre später mit Myra Hilfe im Juli 1987 im Moor gefunden, der Leichnam von Keith Bennet aber bleibt bis heute unauffindbar. Seine Mutter gräbt nahezu jedes Wochenende im Saddleworth Moor nach dem kleinen Körper.
    Ian Brady wurde am 2. Januar 1938 als Ian Duncan Stewart in Glasgow geboren. Seine Mutter, die achtundzwanzigjährige Margaret Stewart, arbeitete als Kellnerin in einem Hotel, und als sein Vater, ein Glasgower Journalist, bereits drei Monate nach seiner Geburt verstarb, gab die Mutter den Jungen in die Hände der Pflegeeltern Mary und John Sloan.
    Ian war ein zwar einsamer aber dennoch sehr dominanter Schüler, ein geborener Führer, der sich schon früh sehr intensiv mit Nietzsche, de Sade, Dostojewskis „Schuld und Sühne“ und schließlich vor allem mit Hitlers „Mein Kampf“ beschäftigte. Als er zehn Jahre alt war, wechselte er auf die Shawlands Academy, eine Schule für durchschnittlich begabte Kinder, wo er dann allerdings vor allem durch schlechtes Benehmen auffiel, was als Rebellion gegen wohlhabende Mitschüler gedeutet wurde.
    Nach dem er zwischen dem dreizehnten und dem sechzehnten Lebensjahr mehrere Male wegen Einbruch und Diebstahl vor einem Jugendgericht gestanden hatte, wurde er schließlich auf Bewährung verurteilt, die mit der Auflage verbunden war, zu seiner Mutter zu ziehen. Die lebte mittlerweile in Manchester und war mit einem Mann namens Patrick Brady verheiratet. Ian nahm den neuen Familiennamen an und arbeitete auf einem Gemüsemarkt, bis er im November 1955 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er einem LKW-Fahrer dabei geholfen hatte, gestohlene Früchte auf den Wagen zu laden. Die Härte der Strafe erklärt sich daraus, daß Brady noch immer zur Bewährung auf freiem Fuß war, aber er fühlte sich maßlos schlecht behandelt, und die folgenden zwei Jahre unter Berufsverbrechern und Mördern trugen ihrerseits dazu bei, daß in Brady der feste Entschluß reifte, „der Gesellschaft zu geben, wonach sie verlangt“.
    Nach seiner Entlassung arbeitete er für einige Zeit in einer Brauerei und schließlich als Buchhalter bei Millwards Ltd., einer kleinen Chemiefabrik. In den Pausen studierte er weiterhin „Mein Kampf“ und andere Naziliteratur. Am 16. Januar 1961 lernte er schließlich Myra Hindley kennen, die als Sekretärin in der selben Firma arbeitete. Sie verliebten sich ineinander und Myra würde später über ihr Verhältnis sagen: „Innerhalb weniger Monate hatte Ian mich vollkommen davon überzeugt, daß es keinen Gott gebe. Er hätte mir erzählen können, die Erde sei eine Scheibe, der Mond aus grünem Käse und die Sonne gehe im Westen auf, ich hätte ihm alles auf der Stelle geglaubt.“ Derartig unter seinem Einfluß, hatte sie nichts dagegen einzuwenden, daß sie sich selbst beim Geschlechtsverkehr fotografierten, um die Bilder anschließend zu verkaufen.
    Brady war durch seine Lektüre zu der Ansicht gekommen, eine Art Samurai zu sein, ein Außenseiter der Gesellschaft, ein herausragender Einzelgänger aufgrund seiner Willenskraft und Selbstdisziplin. Mit Myra an seiner Seite hielt er die Zeit für reif, ein Unternehmen zu starten, das deutlich abheben sollte von der gewöhnlichen Kriminalität. In einem Brief an die Presse würde Brady im Januar 1990 schreiben, die nun folgenden Verbrechen seien „das Produkt einer existentialistischen Philosophie, gepaart mit der Spiritualität des Todes selbst...“

Quelle: Serienmörder im Europa des 20. Jahrhunderts; Jens Haberland; Seiten 103 - 111

Link zum Thema Moormörder:
http://morgenpost.berlin1.de/archiv2002/021117/aus_aller_welt/story563060.html

 

 < Peter Sutcliffe

3. Fall

 

Der Yorkshire Ripper

 

            Peter Sutcliffe wurde am 2. Juni 1946 in Bradford im englischen Yorkshire geboren. Er war das älteste von fünf Kindern, die in der erdrückenden Enge eines typischen Arbeiterviertels aufwuchs. Ein scheues, zurückhaltendes Muttersöhnchen, das stundenlang in der Ecke saß und phantasierend in die Luft starrte. In dieser Welt der Resignation wurde jegliche Andersartigkeit mit Spott überhäuft und Peter von Anfang an als schwächlicher Außenseiter abqualifiziert. Der Vater, John Sutcliffe, war ein herrschsüchtiger und brutaler Mann, der ständig hinter jungen Mädchen her war und von seiner Familie verabscheut wurde. Peters Schwester gestand später einmal, sie habe immer wieder davon geträumt, wie sie ihren Vater eigenhändig ermordete. Während John Sutcliffe eine kurze Gefängnisstrafe wegen Einbruchs absaß, hatte die Mutter eine Affäre mit einem örtlichen Polizeibeamten. Auch ein jüngerer Bruder Peters wurde wegen verschiedener Delikte immer wieder zu Haftstrafen verurteilt, und einige der wenigen Freunde Peters waren Diebe und Einbrecher. Peter selbst versuchte seine Außenseiterrolle zu kaschieren, indem er regelmäßig ein Krafttraining absolvierte, in überhöhter Geschwindigkeit durch die Ortschaft rauschte und mit angeblichen Abenteuern mit Prostituierten prahlte, die zwar ganz allein seiner Phantasie entsprangen, aber doch schon ein erstes Licht auf seine Faszination für das Milieu warfen. Im Alter von 15 Jahren verließ Peter die Schule und hielt sich von nun an mit wechselnden Gelegenheitsjobs über Wasser. 1967 lernte er die sechzehnjährige tschechische Emigrantin Sonia kennen, und die Beziehung zu ihr sollte seinen Werdegang entscheidend beeinflussen. Als er im Juni 1967 dahinter kam, daß Sonia eine Affäre mit einem schneidigen Italiener eingegangen war, war er zu tiefst gekränkt und rasend vor Eifersucht. Er beschloß, sich an ihr zu rächen, fuhr in den Rotlichtbezirk hinunter und suchte eine andere Prostituierte auf. Eine Erektion aber brachte er nicht zustande, woraufhin ihn die Dame mit beißendem Hohn überschüttete, ihn um sein Wechselgeld betrog und sich aus dem Staub machte. Ohne Zweifel ein einschneidendes Erlebnis für Peter Sutcliffe, das seinen sinnlosen Haß auf die Prostituierten im allgemeinen endgültig manifestierte. Immer wieder fuhr er nun an die St. Paul’s Road rauf und runter, und im August glaubte er endlich die Frau erkannt zu haben, die ihm immer noch seine 5 Pfund schuldete. Er griff nach einer Socke, die er mit einem Stein gefüllt hatte, sprang aus dem Wagen, zog der Frau die Waffe über den Hinterkopf und fuhr davon. Die Frau aber prägte sich sein Nummernschild ein, zeigte ihn an, und Peter wurde zur Vernehmung vorgeladen.

            Es erschien ein schüchterner, völlig harmlos wirkender Mann, der beteuerte, er habe der Frau im Verlauf einer persönlichen Auseinandersetzung mit der flachen Hand gegen den Kopf geschlagen. Da er keinerlei Vorstrafen hatte, wurde er gegen die Zahlung einer geringfügigen Kaution entlassen. Sonia kehrte bald darauf reumütig zu Peter zurück, und 1974 heirateten die beiden und bezogen eine Wohnung im Ortsteil Heaton in der Garden Lane Nr. 6.

            Der Haß auf die Prostituierten ließ Peter nie wieder los. Immer wieder fuhr er zur St. Paul’s Road hinunter, beschränkte sich aber zunächst darauf, die Frauen zu beleidigen und zu beschimpfen. Am 4. Juli aber fuhr er ins Nachbarstädtchen Keighley hinüber und sprach eine hübsche Frau namens Anna Rogulskyj an. Als sie ihn abwies, schlug er ihr dreimal mit einem Hammer auf den Kopf. Sie brach zusammen, Peter zog ein Messer und war eben im Begriff, ihr in den Bauch zu stechen, als ein herbeieilender Mann ihn in die Flucht trieb. Anna Rogulskyj überlebte die Attacke und war nach einer Gehirnoperation wieder hergestellt. Auch die sechsundvierzigjährige Reinigungskraft Olive Smelt kam mit dem Leben davon, nachdem sich Sutcliffe von hinten an sie herangeschlichen und mit dem Hammer niedergeschlagen hatte. Er zerriß ihr die Kleider und fügte ihr mehrere Schnittwunden am Gesäß zu, bevor er zu einem Freund zurückkehrte, der im Auto auf ihn wartete. Olive Smelt erholte sich, nachdem ihr einige Knochensplitter aus dem Gehirn entfernt worden waren. Sein nächstes Opfer fand Sutcliffe am 29. Oktober 1975. Die achtundzwanzigjährige Prostituierte Wilma McCann folgte ihm auf einen Sportplatz in der Nähe ihrer Wohnung, aber auch diesmal war Peter nicht fähig zu einer Erektion. Wilma beschimpfte ihn als „verdammt nutzlos“, woraufhin Peter zum Auto ging, einen Hammer holte und Wilma zu Boden schlug. Anschließend zog er ihr die Hosen herunter und stach ihr mit einem Messer wieder und wieder in die Brust und den Unterleib. Nun hatte Peter Sutcliffe seinen ersten Mord begangen, und in den nächsten Jahren sollten dreizehn weitere folgen. Emily Jackson, die verheiratete Mutter dreier Kinder, die sich am Abend heimlich etwas Geld dazuverdiente, wurde am 21. Januar 1976 tot aufgefunden. Sie war mit einem Hammer erschlagen und durch  mehr als fünfzig Messerstiche entstellt worden. Am 5. Februar wurde Irene Jackson mit durchschnittener Kehle im Park von Leeds gefunden, um am 23. April traf es Tina Anderson, die Sutcliffe in ihrem Bett ermordete. Anstelle einer Vergewaltigung hatte er den Verkehr buchstäblich mit einem Messer vollzogen. Zwar würde er später behaupten, er habe sich einzig und allein für Prostituierte interessiert, aber durch seinen ausgelebten Haß auf die Damen des Gewerbes war er längst dahinter gekommen, welch sexueller Genuß ihm die Morde bereiteten. So befand sich unter seinen Opfern auch das sechzehnjährige Schulmädchen Jayne McDonald, der er auf dem Nachhauseweg auflauerte, sowie mehrere Frauen, die einem bürgerlichen Gelderwerb nachgingen, wie die sechsundvierzigjährige Angestellte beim Gesundheitsamt, Margeruite Walls. Bis zum Ende der Siebziger Jahre war die Jagd nach dem Yorkshire Ripper, wie der unbekannte Mörder inzwischen genannt wurde, zu einer der größten Polizeiaktionen der englischen Kriminalgeschichte geworden. Aber er sollte noch zwei weitere Jahre dauern, bis man Peter Sutcliffe auf die Spur kam. Am 2. Januar 1981 fuhr er nach Sheffield hinüber und las im dortigen Rotlichtbezirk die schwarze Prostituierte Olive Reivers auf. Sie entkleidete sich soweit wie nötig und reichte Sutcliffe ein Kondom. Doch der bemühte sich in der Enge des Wagens wieder einmal vergeblich um eine Erektion. Später saßen sie noch eine Weile im Auto, und Olive hörte geduldig zu, wie Sutcliffe über die Frigidität seiner Frau lamentierte, als eine Polizeistreife auftauchte und über Funk feststellte, daß der Wagen gestohlen war. Bevor die beiden zum Polizeiwagen geleitet wurden, bat Sutcliffe um die Erlaubnis, sich an den Straßenrand zurückziehen zu dürfen, um zu urinieren, und schaffte es bei der Gelegenheit, den Hammer und das Messer, die er wie immer unter dem Fahrersitz verstaut hatte, hinter einem Öltank zu verstecken. Am nächsten Tag aber kehrte einer der Beamten einem Instinkt folgend an den Ort der Festnahme zurück, schaute sich gründlich um und entdeckte die Waffen. Mit dem Fund konfrontiert, gab Sutcliffe zu, der gesuchte Ripper zu sein, und schilderte die Gräueltaten in allen Einzelheiten. Peter Sutcliffe wurde am 22. Mai 1981 des dreizehnfachen Mordes für schuldig befunden und zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

            Aufgrund seines Geisteszustandes wurde er 1984 vom Gefängnis Parkhurst nach Berkshire ins Hochsicherheitskrankenhaus Broadmoor auf die geschlossene Abteilung verlegt. Zeitweilig befindet sich Peter Sutcliffe in einem Stadium der geistigen Verwirrung, wobei er nicht mehr ansprechbar ist.

 

< Sutcliffe später   < Margeruite Walls eines der Opfer

Quelle: Serienmörder im Europa des 20.Jahrhunderts; Jens Haberland; Seiten 93 - 102

 

4. Fall

 

Verlangen nach Aufmerksamkeit

 

„Ihr mögt mich für einen Niemand halten, aber da ist

weit mehr an mir, als ihr euch überhaupt vorstellen könnt.

In Wahrheit bin ich hochgefährlich.“

(Beverley Allitt nach ihrer Verhaftung)

 

Beverley Allitt war äußerst beliebt in dem kleinen Krankenhaus des in Mittelengland gelegenen Städtchens Grantham. Die dreiundzwanzig Jahre alte gelernte Kinderkrankenschwester hatte sich im Februar 1991 auf eine Stellenofferte des Hospitals hin gemeldet. Da sie die einzige war, die sich um die ausgeschriebene Stelle bewarb, und Personal dringend gebraucht wurde, stellte man sie nach einem kurzen Gespräch für zunächst sechs Monate auf Probe ein, ohne ihren Zeugnissen oder persönlichen Unterlagen weitere Beachtung zu schenken. Sie erwies sich als sanftmütig und geduldig im Umgang mit den kleinen Patienten, war stets hilfsbereit, und keiner ihrer Kollegen wäre jemals auf den Gedanken gekommen, daß die freundliche junge Frau für eine Serie rätselhafter Todesfälle verantwortlich war.

            Kurz nach ihrer Einstellung am 23. Februar 1991 wurde der sieben Wochen alte Liam Taylor mit einer fiebrigen Erkältung auf ihrer Station eingeliefert. Innerhalb der folgenden vierundzwanzig Stunden verschlechterte sich sein Zustand rapide, und die Elter, die besorgt an seinem Krankenbett ausharrten, mußten schließlich mitansehen, wie das Baby trotz aller Bemühungen des Arztes an Herzversagen starb. Auch eine nachträgliche Untersuchung des Körpers, die eindeutig ergab, daß sein Herz in einem Zustand war, wie man ihn sonst nur gelegentlich bei erwachsenen, einen ungesunden Lebenswandel pflegenden Menschen vorfindet, lies zunächst nicht den Verdacht aufkommen, daß Liam eines unnatürlichen Todes gestorben sein könnte.

            Zehn Tage später wurde der 11 jährige Tim Hardwick ins Krankenhaus von Grantham gebracht. Er hatte zum wiederholten Male einen epileptischen Anfall erlitten, und als er kurz darauf an einer Herzattacke verstarb, gaben sich die Ärzte damit zufrieden, den Tod mit seiner Krankheit zu erklären, auch wenn der letzte Anfall zum Zeitpunkt seines Todes schon mehrere Stunden zurücklag.

            Kurz darauf erlitt der fünfzehn Monate alte Carley Desmond nach einer Routineuntersuchung im Grantham Hospital einen Herzanfall. Er wurde eilig ins Queens Medical Centre von Nottingham überwiesen und war nach kürzester Zeit wieder vollkommen hergestellt.

            Ende März sank der Blutzuckerspiegel des fünf Monate alten Granthamer Patienten Paul Crampton über Nacht so stark ab, daß er mehrmals das Bewusstsein verlor. Die Ärzte konnten sich seinen Zustand nicht erklären und schickten eine Blutprobe Pauls zur Universität von Wales, in der Hoffnung, eine genaue Analyse könne Aufschluß über die rätselhafte Krankheit geben. Es sollte unerklärlicher Weise mehr als zwei Wochen dauern, bis das Ergebnis der Analyse in Grantham eintraf. Die Tatsache, daß man Paul Cramptons Blut einen abnorm hohen Insulinspiegel festgestellt hatte, hätte wohl auch in der so friedlichen, von Kriminalität kaum betroffenen Gemeinde von Grantham irgendjemanden stutzig machen müssen. So aber machte sich auch niemand besondere Gedanken, als nur einen Tag nach Paul Cramptons Einlieferung der fünfjährige Patient Bradley Gibson einen heftigen Erstickungsanfall erlitt. Er wurde gerettet, zur weiteren Beobachtung ins Queens Medical Centre verlegt und bald als geheilt entlassen. Die zuständigen Mediziner in Nottingham vermuteten, dem Kleinen sei aus Versehen ein falsches Medikament verabreicht worden. Sie ließen die Angelegenheit wohl aus kollegialer Solidarität auf sich beruhen.

            Einige Tage später wurde die drei Monate alte Becky Philips wegen starker Atembeschwerden ins Grantham Hospital eingeliefert, wo sie untersucht, behandelt und am nächsten Tag wieder entlassen wurde. In der folgenden Nacht aber verschlimmerte sich ihr Zustand erneut. Sie fiel in ein Koma, und ihre Eltern brachten die Kleine in Panik zurück ins Krankenhaus, wo sie trotz aller Widerbelebungsversuche in den Armen der Beverley Allitt verstarb. Am nächsten Tag brachten die Eheleute Philips ihre Tochter Kate, die Zwillingsschwester Beckys, ins Krankenhaus, um sie prophylaktisch untersuchen zu lassen und so einer weiteren Katastrophe vorzubeugen. Zunächst für absolut gesund erklärt, wurde sie nach einigen Stunden Krankenhausaufenthalt plötzlich Erstickungsanfällen heimgesucht, bis ihr kleines Herz schließlich aussetzte. Alle Wiederbelebungsversuche der Ärzte waren vergeblich. Den restlos verzweifelten Eltern wurde mitgeteilt, daß auch ihr zweites Kind verstorben war. Nach annähernd vierzig Minuten aber begann Kates Herz wieder zu schlagen, und das Mädchen war gerettet. Aufgrund der zu lange unterbrochenen Sauerstoffzufuhr trug Kate einen bleibenden Gehirnschaden davon. Die Eltern aber, die davon überzeugt waren, daß Beverley Allitt, die sich bis zuletzt weiter intensiv um Kate bemüht hatte, für die Rettung der geliebten Tochter verantwortlich war, luden die engagierte Krankenschwester von nun an regelmäßig zu sich nach Hause ein, wo Beverley sich mit der Familie anfreundete und ausgedehnte Spaziergänge mit der kleinen Kate unternahm.

            Als am 12. April endlich die Analyse von Paul Cramtons Blut eintraf, konnten sich die Verantwortlichen des Granthams Hospital den stark erhöhten Insulinspiegel nur durch eine Injektion erklären. Daß aber einer ihrer Kollegen dazu fähig sein sollte, hielten sie weiterhin für vollkommen ausgeschlossen. Die einzige Konsequenz, nämlich die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken, beruhte auf der Spekulation, es könne sich jemand ins Haus geschlichen habe. Wenige Tage später geriet der Patient Christopher King in Folge von heftiger Erstickungsanfällen in Lebensgefahr. Auch er wurde daraufhin ins Queens Medical Centre von Nottingham überführt, wo er sich schnell wieder erholte. Es bedurfte zweier weiterer unerklärlicher Erstickungsanfälle und schließlich des Todes der fünfzehn Monate alten Clare Peck, bei der die Ärzte einen stark überhöhten Pothassiumspiegel feststellten und erneut davon ausgehen mußten, daß irgend jemand tödliche Injektionen verabreichte, bis sie sich endlich an die Polizei wandten. Den Beamten fiel sehr schnell zweierlei auf: Zum einen waren aus der Krankenakte des Paul Crampton mehrere Seiten herausgetrennt worden, zum anderen war es immer nur dann bei den Kindern zu den mysteriösen Anfällen gekommen, wenn Schwester Beverley Allitt im Dienst gewesen war. Ihr Zimmer wurde durchsucht, die verschwundenen Unterlagen bei ihr gefunden. Beverley Allitt wurde verhaftet und im November 1991 wegen vierfachen Mordes, achtfachen versuchten Mordes und zehnfacher schwerer Körperverletzung angeklagt. Sie hatte den Kindern entweder Insulin oder Pothassium verabreicht oder aber sie mit einem Kissen erstickt, beziehungsweise zu ersticken versucht.

            Erst nach ihrer Verhaftung war auch ihr bisheriger Werdegang wirklich beleuchtet worden. So hatte Beverley Allitt schon im Alter von dreizehn Jahren ein auffallend grausames Verhalten gegenüber kleineren Kindern gezeigt. Ihre eigene Krankenakte belegte, daß ihr schon vor Jahren eine schwere mentale Störung attestiert worden war. Ein Gefängnispsychiater sollte später im Zusammenhang im Beverley Allitt von ihrem krankhaft übersteigerten, nie wirklich zufriedengestellten Verlangen nach Aufmerksamkeit sprechen, von ihrem daraus resultierenden chronischen Unterlegenheitsgefühl, das sie zu kompensieren versuchte, indem sie ihre Überlegenheit gegenüber anderen auf ihre ganz eigene Art zu beweisen versuchte. So wurde sie schließlich zur mehrfachen Kindermörderin.

            Beverley Allitt wurde am 28. Mai 1993, nachdem der Prozeß wegen eines schweren Nervenleidens der Angeklagten immer wieder für lange Zeit unterbrochen worden war, in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

 

Interview mit Sandra Mills, der Inhaberin der Pensionskneipe >>Five Bells<< und der Kellnerin Adele Spicker am Sonntag, 24. 08. 1997 in Grantham:

 

J.H.      Sandra, was kannst du mir denn über Beverley Allitt erzählen, erinnerst du dich?

 

S.M.     Oh Gott, ja natürlich! Sie kam des öfteren hierher mit ’ner Kollegin aus dem Krankenhaus.

Und die Beiden haben immer ein kleines Lagerbier getrunken.

 

A.S.      Die war doch ’ne Lesbe, oder?

 

J.H.      Woher weißt du das so genau?

 

S.M.     Naja, ich hatte auch das Gefühl, ich meine, ihre Kollegin und sie, die Beiden, die hier

immer reingeschaut haben, die waren in Wirklichkeit ein Paar und nicht nur gute Freunde.

 

A.S.      Nun, das konnte doch offensichtlicher gar nicht mehr sein, oder?

 

J.H.      Haben sie einmal hier übernachtet?

 

S.M.     Nein.

 

A.S.      Doch, natürlich, sogar in dem Zimmer, das du heute hast.

 

S.M.     Adele, ich bitte dich... Naja, das Thema ist in dieser Kleinstadt doch schon vorsichtig

Anzugehen. Es waren halt hauptsächlich Leute von hier, die betroffen sind nicht wahr?

 

J.H.      Kennst du welche?

 

S.M.     Oh ja, der eine Elston – Zwilling zum Beispiel. Nach einem Anschlag von Beverley Allitt ist

Der jetzt geistig und körperlich eingeschränkt.

 

A.S.      Wie, Mrs. Elstons Kind? Das wußte ich ja noch gar nicht!

 

S.M.     Doch, und da sie eben Zwillinge hat, kannst du das Resultat bei dem einen im Vergleich

zum anderen ganz klar sehen, leider.

 

J.H.      Wie war Beverley Allitt denn so?

 

S.M.     Ich mochte sie nicht besonders. Sie wirkte so unpersönlich, nicht gerade freundlich, kalt

Irgendwie.

 

A.S.      Sag mal Sandra, da ist diese andere Sache in deinem Heimatort passiert?

 

S.M.     Ach, Mary Bell meinst du oder? Ja sag mal, hast du diesen Fall auch in deinem Plan?

 

J.H.      Nein, Mary Bell kenne ich nicht.

 

S.M.     In New Castle, da wo ich herkomme, lebte vor einiger Zeit ein neunjähriges Mädchen, das

jüngere Spielkameraden bestialisch ermordet hat. Hast du noch nichts davon gehört?

 

A.S.      Die ist doch schon wieder auf freiem Fuß, oder?

 

S.M.     Ach, die Mary Bell ist schon ganz Lange wieder da, die hat jetzt ja auch schon Familie

und alles...

 

J.H.      Nein, ich habe noch nichts davon gehört.

 

S.M.     Die Sache ist aber ganz interessant: Stell dir vor, ein neunjähriges Mädchen überredet

Fünfjährige Kinder, sich auf einen Stuhl zu stellen und die vom Dachbalken

herunterbaumelnde Schlinge um den Hals zu legen...

 

A.S.      Und im nächsten Augenblick tritt Mary Bell den Stuhl weg.

 

S.M.     Die hat das ja sicherlich nicht böse gemeint, wollte nur mal wissen, was passiert.

 

A.S.      Unvorstellbar, oder?

 

S.M.     Sag mal, macht ihr auch den Moormörderfall?

 

J.H.      Ja, morgen und übermorgen.

 

S.M.     Dann müsst ihr doch sowie so nach Durham, der Knast, in dem Hindley sitzt, oder hattet

ihr das nicht vor?

 

J.H.      Doch.

 

S.M.     Na, Mensch, dann fahrt doch noch die paar Meilen nach New Castle hoch, das wäre doch

noch ’ne gute Geschichte in deinem Buch!

 

J.H.      Wir haben definitiv zu wenig Zeit mitgebracht, leider...

Quelle: Serienkiller im Europa des 20. Jahrhunderts; Jens Haberland; Seite 51 - 60

 < Mary Bell (1.Polizeifoto)              < Mary Bell (Anstaltfoto)

 

5.Fall

 

Ein junges Mädchen wird zur Mörderin

Mary Bell

 

„Brian Howe hatte keine Mutter, also wird er nicht vermisst.“

Mary Bell nach ihrer Verhaftung

 

„Sie sind auf der Such nach ihrem Brian?“, fragte Mary Bell, die Schwester des kleinen Jungens. Klaps sorgte sich um das Kleinkind, das schön längst hätte zu Hause sein sollen. Brian war ein kleiner dreijähriger Junge mit schönem Haar.

            Brian spielte normalerweise nahe am Haus. Mary und ihr bester Freund boten sich begeistert an mit nach dem kleinen Jungen zu suchen. Sie führten Klaps durch die Nachbarschaft schauten hier und dort, die ganze Zeit genau wissend wo der kleine Brian abgeblieben war.

 

Sie kreuzten die Eisenbahnschienen zum Industriegebiet, indem die Kinder oft mit Tieren, alten Autos und in gefährlichen alten Ruinen spielten. Nur ein paar Wochen zuvor war Martin Braun in einer der Ruinen gefunden, man nahm an, das dies ein Unfall gewesen war. Aus diesem Grund war die ältere Schwester Brians sehr besorgt um das Kleinkind. Mary wies auf einige Blöcke und meinte: „Er könnte hinter diesen Blöcken oder auch zwischen ihnen spielen.“

 

„Oh nein,“ behaarte Norma, „er geht nie dorthin.“ Tatsächlich lag der kleine Brian zwischen den Blöcken, Mary wünschte sich in diesem Moment, Klaps würde ihren toten kleinen Bruder entdecken. Später sagte Norma, Mary hätte sich gewünscht, daß Klaps Howe einen Schlag bekäme, wenn sie den kleinen Leichnam entdeckte. Die Polizei von New Castle entdeckte die Leiche in der selben Nacht um 23:10 Uhr.

 

Die schreckliche Entdeckung, Brian wurde bedeckt mit Gras und purpurroten Unkraut gefunden. Der kleine Körper war eingeschnürt worden. In der Nähe fand man einig defekte Scheren im Gras. Auf dem kleinen Körper wurden seltsame Wunden gefunden und die Haut vom Genital war teilweise „abgezogen“. Dem Jungen wurden Haare Büschelweise abgeschnitten und neben ihm platziert. Die Wunden waren seltsam: „Sie drückten eine seltsame und grausame Verspieltheit aus.“, Detective James Dobson, der den Leichnam und den Tatort untersuchte. Auf dem Bauch von Brian war ein „M“ eingeritzt, was wie eine Unterschrift wirkte. Dieses Wundmal wurde dem Kleinkind mit einer Rasierklinge zugefügt.

            Dieser Schnitt war nicht lange so offensichtlich, denn einige Tage nach Leichenfund, schien es wie ein „N“ der vierte, entscheidende Schnitt war offensichtlich von einer anderen Person, der Leiche beigebracht worden. Die das „N“ in ein „M“ verwandelt hatte. Bis heute ist offen, wer diesen vierten Strich vollzogen hat.

 

Der Sommer 1968, war in Scotswood ein ökonomisch schlechter, 275 Meilen im Norden von London liegend, von der Polizei überrannt. Diese vernahm alle Kinder, der Umgebung, im Alter von drei bis fünfzehn Jahren. Die Menschen in der Umgebung waren alle sehr unruhig, denn auch der scheinbare Unfall vom Martin Brauns, stellte sich jetzt als Mord dar.

            Unter den Befragten befanden sich natürlich auch die elfjährige Mary Bell und der dreizehnjährige Norma. Mary war ausweichend und merkwürdig fungiert. Norma fühlt sich an den Mord erinnert, bei seiner Befragung. – „Sie lächelte fortwährend, als sie das Ganze ein sehr großer Witz.“, wir einmal gesagt werden.

 

Als sich die Untersuchen sich auf eine Person verengte, auf Mary, „erinnerte sich plötzlich“ ein achtjähriges Mädchen daran, am Todestags von Brian, das Kleinkind mit einem anderen Jungen gesehen zu haben. Der Junge schlug Brian aus keinem erkennbaren Grund, wie sie behauptete. Sie hatten den Jungen mit einer defekten Schere spielen sehen. Und erzählte auch, den gleichen Jungen am Nachmittag des Mordes von Brian, am Flughafen gesehen zu haben. Indem sie von dieser defekten Schere berichtete, die als vertraulicher Beweis galt, und der Öffentlichkeit auch nicht die Information diesbezüglich zugänglich war, implizierte sich Mary. Sie beschreib genau, wie das mit der Schere war. „Wie die Schere mit dem falsch gefärbten Silber, an dem Bein zerbrach oder nur verbogen worden ist.“                  Es war nun klar, daß entweder Norma oder Mary, vermutlich die Mörder des kleinen Jungen Brian Howe waren.

 

Brian Howe wurde am 07. August begraben, Detective Dobson, der dort war, beschrieb die Situation folgendermaßen: „Mary Bell stand vor dem Haus der Howes, als der Sarg des Jungen herausgetragen wurde. Ich passte selbstverständlich auf. Und mir wurde klar, als ich sie sah, daß sie wohl wirklich diese grausame Tat vollzogen hatte, die Gefahr ging von ihr aus. Ich dachte, mein Gott, du hast seine Mörderin zu seiner Familie gebracht.“

 

Mary Flora Bell wurde am 26. Mai. 1957 als älteste von vier Kindern geboren. Oft wurde sie zu Verwandten abgeschoben, da die Mutter mit ihrer Tochter nicht klar kam. Mutter, Betty Bell, zwang ihre älteste Tochter zu Verkehr mit Männern, die das wünschten, denn Betty war Prostituierte. Sie litt als junge Mutter unter dem „Baron Münchhausen Syndrom“, was bedeutet, daß die Mutter ihrem Kind Gewalt antut, in egal welcher Weise, damit dann zum Arzt geht um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Mary, mußte ihre Mutter immer unterstützen sei es, wenn es um die Prostitution ging, oder auch darum, sich um ihre jüngeren Geschwister zu kümmern. Dennoch wurde sie während der Therapie der Mutter immer wieder zu anderen Leuten gebracht.

 

Mary wurde in psychiatrische Behandlung gebracht und versuchte ihrer eigenen Identität Zeit und Raum zu geben.

 

(in Anlehnung von Mary Bell: Portrait eines Mörders als junges Mädchen)

 

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